Der Öldruck im Motor

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Bis zum W124 leistete sich Mercedes in der Mittelklasse den Luxus eines Öldruckmessers. Beim Nachfolger W210 wurde dieses Teil bereits eingespart.

Der Öldruckmesser zeigt von 0 bis 3 bar an, die Nadel läuft bei 3 bar gegen einen mechanischen Anschlag. Bei 5 bar öffnet das Überdruckventil in der Ölpumpe komplett und läßt das Öl mit dem zu hohen Druck wieder in die Ölwanne ab, so daß höhere Drücke als 5 bar nicht auftreten dürften.

Während beim W123 die Öldruckanzeige direkt über eine kleine Öldruckleitung (vom Ölfilter kommend) "angetrieben" wurde, ist die Anzeige beim W124 elektrisch. Bei den anderen Typen wurde zeitgleich mit der Einführung des W124 im Herbst 1984 auf elektrisches Anzeigeinstrument umgestellt.

Am Ölfilter sitzt nun ein Drucksensor, dessen Widerstand mit steigendem Öldruck zunimmt, entsprechend steigt auch die Nadel der Anzeige:

Widerstandswerte des Öldruckgebers
Öldruck 0 bar 1 bar 2 bar 3 bar
Widerstand ≈ 10 Ω ≈ 69 Ω ≈129 Ω ≈184 Ω

Bei eingeschalteter Zündung und stehendem Motor muß die Anzeige bei 0 bar stehen, springt sie bei Einschalten der Zündung direkt auf 3 bar, liegt eine Leitungsunterbrechung vor oder der Geber ist defekt. Man sollte unbedingt darauf achten, daß der Zeiger vor dem Starten bei 0 bar steht, da ansonsten auch bei fallendem Öldruck weiterhin 3 bar angezeigt werden und man diese Informationsquelle fahrlässig verschenkt.

Startet man die kalte Maschine (kalt kann auch 20° C heißen), so muß der Öldruck bei Leerlaufdrehzahl innerhalb weniger (1 - 2) Sekunden auf 3 bar steigen. Dies ist kein Qualitätskriterium des Motors, sondern "normal". Das kalte Öl ist (insbesondere bei Minusgraden) so zäh, so daß ein hoher Druck aufgebaut wird. Als ich mein erstes Auto kaufen wollte, versuchte jemand, mir einen Mini 800ccm anzudrehen, ein niedliches Auto, wirklich. "Sieh hier, der kalte Motor hat schon vollen Öldruck!" erläuterte mir der Verkäufer. Dafür rasselte es vernehmlich, je wärmer die Kiste wurde.

Mit steigender Motortemperatur fällt der Öldruck bei Leerlaufdrehzahl ab. Der Öldruck ist dann von verschiedenen Faktoren abhängig: Leerlaufdrehzahl, Ölsorte und Verschleißzustand des Motors.

  1. Je höher die Leerlaufdrehzahl, desto höher der Öldruck. Schon kleine Abweichungen machen sich am Manometer bemerkbar, dies kann man überprüfen, indem man ganz leicht Gas gibt: der Öldruck steigt. Beim Automaticgetriebe wird die Leerlaufdrehzahl bei eingelegter Fahrstufe um ca. 50 Umdrehungen abgesenkt, so daß der Öldruck geringer ist, als bei einem handgeschalteten Fahrzeug im Leerlauf.
  2. Bei einem reinen Winteröl, also z.B. einem Einbereichsöl SAE W10, ist der Öldruck bei warmer Maschine geringer, als bei einem Sommeröl, z.B. SAE 40. Nun werden solche Einbereichsöle heute praktisch nicht mehr angeboten, aber die Mehrbereichsöle haben eine "obere" Angabe wie z.B. "SAE xxW-40" oder "SAE yyW-50". Auch hier gilt (vereinfacht), he höher die "obere" Zahl, desto höher der Öldruck bei warmem Motor, wobei SAE xxW-40 auch im Sommer auf der Autobahn völlig ausreichend ist. Spezielle Additive haben ebenfalls Einfluß auf die Wärmestabilität des Öles, lassen sich jedoch ohne petrochemisches Labor schwerlich überprüfen.
  3. Je verschlissener der Motor ist, desto größer sind die Druckverluste in den Lagern, so daß der Gesamtdruck sinkt.

Wenn alle Faktoren stimmen, liegt der Öldruck bei warmer Maschine im Leerlauf zwischen 1,0 und 1,5 bar. Dies ist gleichzeitig der Indikator dafür, daß die Maschine richtig durchgewärmt ist und voll belastet werden kann. Mercedes gibt als minimal zulässigen Öldruck 0,3 bar an, ein Motor mit diesem Öldruck dürfte jedoch bereits ziemlich "fertig" sein.

Gibt man aus dem Leerlauf heraus Gas, so muß der Öldruck hurtig steigen und bei ca. 1500 Umdrehungen - laut Mercedes spätestens bei 3000 Umdrehungen - die 3 bar erreichen.

Mercedes liefert die folgenden "Anhaltswerte" für den Öldruck des Motors M103 (260 und 300) bei verschiedenen Motordrehzahlen und Motoröltemperaturen. Die Öldrücke des M104 (280 und 320) liegen übrigens höher. Zur genauen Messung ist ein kalibriertes Manometer zu verwenden, zur Orientierung reicht die Genauigkeit des Bordinstrumentes sicherlich aus:

Drehzahl Motoröldruck in bar
in 1/Min bei 90° C bei 130° C
600 0,7 0,6
750 0,9 0,9
1000 2,0 1,3
2000 4,3 3,5
3000 4,6 4,4
4000 4,8 4,6
5000 5,0 4,7

Sinkt der Öldruck während der Fahrt, sollte man sofort anhalten und ebenfalls nach der Ursache forschen (lassen). Bei meinem alten M102 passierte dies einmal nach einem eigentlich behobenen Zylinderkopfdichtungsdefekt auf der Autobahn bei ca. 130km/h, plötzlich sackte die Nadel ab! Also sofort vom Gas gegangen, rechts 'rangefahren, der Öldruck stieg beim Gasgeben nicht mehr über 1,5 bar. Aus purer Verzweiflung habe ich dann den Ölfiltereinsatz herausgenommen (das ginge beim M102/M103 im W124 nicht mehr, da die eine Filterpatrone haben, zumindest die Vierventiler Otto haben jedoch wieder Filtereinsätze) und siehe da: der Öldruck war wieder in Ordnung. Also vorsichtig nach Hause geschlichen und einen neuen Ölfiltereinsatz verbaut, danach war wieder alles im grünen Bereich.

Manchem stellt sich die Frage, wozu überhaupt ein Öldruck von drei bar und darüber benötigt wird und ob es gefährlich sei, mit geringerem Öldruck zu fahren. Die Diskussionen fanden z.B. hier und auch hier statt.

Kennen Sie das Gefühl, bei zu wenig Wasserdruck duschen zu dürfen? Es kommt zwar Wasser an, aber so wenig, daß man sich unwohl fühlt.

Ähnlich geht es den Schmierstellen im Motor, wenn der Druck zu gering ist! Insbesondere die Nockenwellen, deren Ölversorgung ziemlich weit "hinten" im Ölkreislauf angesiedelt ist, bekommen das zu spüren. Im Gegensatz zum Beispiel mit der Dusche oben muß das Öl nicht nur heraustropfen - es muß auch in die recht engen Spalte in den Lagern gelangen und dabei einen Gegendruck überwinden. Ist der Öldruck zu gering, kommt zu wenig oder gar kein frisches Öl in die Lager, irgendwann ist der Schmierfilm weg, es kommt zu Materialabtrag, somit Verschleiß und Schäden.

Weiterhin ist das Öl wichtig für die innere Kühlung des Motors. Es gelangt an Bauteile, die vom Kühlwasser (oder der Kühlluft) nicht berührt werden (sollten) und führt von dort Wärme ab. Zu wenig Öldruck, zu wenig Öl unterwegs, zu wenig Wärmeabtransport, Überhitzung. Das ist alles ungesund für den Motor.

Bei thermisch hochbelasteten Kolben (z.B. im Turbodiesel) wird gerne Spritzöl von unten zur Kühlung eingesetzt. Dabei schießt ein Ölstrahl aus einer Bohrung im Pleuelfuß oder an der Zylinderwand gegen die Kolbenunterseite und führt von dort Wärme ab. Zu geringer Öldruck bedeutet, daß statt des Strahles nur Gepiesel produziert wird, der Kolben überhitzt. Das kann dann zum Durchbrennen des Kolbens oder zum Klemmer/Fresser führen und zieht eine saftige Rechnung für die dann notwendige Motorrevision nach sich.

Turbolader werden durch Motoröl geschmiert und (neben der manchmal vorhandenen Wasserkühlung) eben auch gekühlt. Die Bauteile liegen im Abgasstrahl, der schon mal über 1000°C hat, und werden im Betrieb kirschrot. Wenn hier die benötigte Schmierung und Kühlung ausfällt: gute Nacht!

Insbesondere der plötzliche Leerlauf nach Vollgasfahrt auf der Autobahn ist kritisch, da die Bauteile alle noch "gut warm" sind, aber der Öldruck und die Fördermenge nur noch auf Minimum laufen, wenn der Motor eben im Leerlauf tuckert.

Nach Auto- und Motorradrennen gibt es immer eine Auslaufrunde, die ist nicht nur dazu da, daß der Sieger den Zuschauern zuwinken kann, sie dient insbesondere dem kontrollierten Abkühlen der Aggregate. Gönnen Sie also Ihrem Motor vor der Tankpause eine Abkühlrunde von ein paar Kilometern oder halten Sie den Motor im plötzlich auftauchenden Stau noch zwei bis drei Minuten auf leicht erhöhter Drehzahl, bis er "innerlich" abgekühlt ist.

Autor: Christian Martens