Vibrationen und Brummgeräusche

Aus W124-Archiv
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Antriebswellen

Eines Tages überraschte mich mein Tee damit, daß er beim Losfahren hinten einmal hart knackte. Komisch, bist Du irgendwo 'rübergefahren? fragte ich mich. Ein paar Tage später knackte es wieder, völlig unvermittelt. Dann knackte es irgendwann bei jedem Losfahren mehrfach hintereinander und mit der Zeit hörte es sich an, als würde ich hinten rechts eine Steinmühle betreiben. Knack, knack, knack, knack knack knack mit steigender Raddrehzahl immer schneller, kein leises Knacken mehr, sondern ein lautes Knallen, erst dann nachlassend, wenn ich den Fuß vom Gas nahm und die Kiste antriebslos rollte.

Die Gleichlaufgelenke der Antriebswellen geben in fortgeschrittenem Verwesungszustand solche Geräusche von sich. Ein Auseinanderziehen der Gelenke durch horizontales Verschieben der Antriebswelle oder Entlasten der Räder vermag das Problem anfangs für ein paar Tage zu "beseitigen", es kommt jedoch wieder. Wie sich der Schaden anfangs anhört, beschrieb Dan am 18.11.2000 in seinem Betrag, in dessen Folge die Diagnose leider bestätigt wurde.

Ist die Gummimanschette um das Gleichlaufgelenk defekt, so ist die Diagnose einfach, denn dann kommt schnell Schmutz und Feuchtigkeit in das Lager und führt zum frühen Tod. Jedoch kann auch bei intakter Manschette das Lager plötzlich und unvermittelt..., eben wie bei Dan oder auch meinem Tee.

Also eine neue Antriebswelle her. Entweder gebraucht oder ein Austauschteil aus dem Zubehör für ca. 250 € oder aber bei DC für ca. 500 € - dann natürlich als Neuteil! Die Preise sind übrigens die reinen Materialkosten pro Seite...

Der Wechsel ist recht einfach, man benötigt jedoch zum Lösen der großen Bundmutter auf der Antriebswelle eine 12-Kant-Nuß SW 30 und einen laaaaangen Hebel. Die Schrauben am Differential müssen laut Herstellervorschrift erneuert werden, kauft man sie bei DC, so kommen Schrauben mit Außentorx(!) zum Einsatz. Weiterhin mußte ich das Differential absenken, da ich die Antriebswelle anders nicht heraus bekam. Wenn man es gleich absenkt, spart man sich das Herumgedaddel.

Lagerung des Differentials

Das Differential ist im Hilfsrahmen der Achse hinten mit zwei Gummibuchsen und vorne mit einer gelagert. Mit der Zeit und den Kilometern... Während beim W201 das Differential hinten direkt mit dem Hilfsrahmen verschraubt war und es hier schnell zu häßlichen Vibrations- und Brummgeräuschen kam, wurde dem W124 eine gummigelagerte Aufhängung spendiert. Ist diese defekt, kommen die Geräusche wieder, insbesondere bei Lastwechseln oder höheren Geschwindigkeiten.

Die vordere Lagerung besteht aus zwei Gummi-Metall-Scheiben, eine oberhalb und eine unterhalb des Hilfsrahmens, darunter das Differential, Schraube durch, fertig. Der Wechsel ist schnell gemacht, man sollte jedoch darauf achten, daß die Distanzscheibe zwischen Differential und untere Lagerschale gehört und nicht etwa unter die Mutter!

Diese Scheibe ist keine Schraubensicherung, es handelt sich vielmehr um eine kalibrierte Scheibe mit einer Stärke von 2,6mm (seit 08/1988 überall gleich, vorher abhängig von der Gehäuseform auch andere Werte möglich), die den Abstand des Differentials zum Hilfsrahmen bestimmt. Anfangs hatte Mercedes mit Scheiben unterschiedlicher Stärke experimentiert, bis dann diese Universalscheibe zum Einsatz kam. Fehlt sie oder ist sie an der falschen Stelle montiert, so kann es zu heftigen Brummgeräuschen im Geschwindigkeitsbereich ab 160km/h. Eine gemeine Fehlerquelle, die man sich durch Falschmontage (des Vorbesitzers oder seiner Werkstatt) einfangen kann. Frage mich jetzt bitte niemand, woher ich das weiß :->

Die hintere Lagerung besteht wie gesagt aus einer in Silentbuchsen gelagerten Verschraubung durch den Hinterachsträger in den Gehäusedeckel des Differentiales. Diese Buchsen schlagen mit der Zeit aus und müssen erneuert werden. Weitere Informationen dazu sowie die Anleitung zur Herstellung eines Spezialwerkzeuges zum Wechseln der Buchsen finden sich ebenfalls hier in der Werkzeugkiste, im Abschnitt über das Differential.

Lagerung des Hilfsrahmens

Der Hilfsrahmen ist an vier Stellen mit dem Aufbau verschraubt, faustgroße Lagertöpfe sind für die Entkoppelung der beiden Bauteile dazwischengeschaltet. Diese Lager können gut inspiziert werden, da sie frei von unten zugänglich sind. Kippt beim Anfahren die Achskonstruktion vorne nach unten, was sich durch ein einmaliges "Klonk" bemerkbar machen kann, was jedoch vom Klonk des Differentialspiels zu unterscheiden ist, oder sind die Lager bereits sichtbar verschlissen, sollte man sie austauschen.

Diese Arbeit ist selbst in Fachwerkstätten gefürchtet, da trotz Spezialwerkzeug das passiert, was die Amerikaner so treffend "Gorilla work" nennen. Dabei besteht das einzige Problem darin, die Lagertöpfe aus ihren Buchsen zu bekommen, weil die Zugänglichkeit in eingebautem Zustand der Hinterachse mehr als mäßig ist. Oftmals wird dann mit dem Brenner der Hilfrahmen an der Lagerbuchse rotwarm gemacht, damit sich der Lagertopf erweicht und leichter entfernt werden kann. Diese Methode ist, vorsichtig ausgedrückt, als unelegant zu bezeichnen.

Einen schönen Erfahrungsbericht schrieb Wolfgang aus Wien in seinem Beitrag vom 24.03.2002:

Voraussetzungen:
Hebebühne oder Unterstellböcke. Mit der Hebebühne ist es natürlich bequemer, geht aber auch mit aufgebockten Fahrzeug.
Rangierwagenheber: den braucht man um die Achse einzufädeln,
Bremsenreiniger + Loctite Schraubensicherung,
Eine neue Schelle für Endtopf (eventuell auch gleich neue Auspuffgummis),
Bremsenentlüftungsgerät oder entsprechenden Werkstatttermin.
In der Werkstatt werden die Lager mit einem Abzieher "rausgezogen", das muß aber eine ziemlich anstrengende Sache sein. Für uns Hobbymechaniker ist es einfacher, die komplette Hinterachse auszubauen, das klingt spektakulär, ist es aber gar nicht.
Lösen von: Stoßdämpfer (unbedingt im Kofferraum!), Stabilisatorverbindungen, Bremsschläuchen, Hardyscheibe, Endtopf, Handbremsseilen (man baut die komplette Umlenkmechanik aus, danach lassen sich die Seile ganz einfach aus der Befestigung nehmen).
Dann hängt die Achse nur mehr an vier Schrauben, nun stellt man unter das Differential den Rangierwagenheber und öffnet die 4 Schrauben in den Gummilagern (geht am einfachsten mit einem Preßluftschrauber, aber natürlich auch so). Nun kann man die Achse bereits absenken, möglicherweise hängt sie in einem der Gummilager fest, da muß halt ein bißchen mit einem großen Schraubenzieher nachhelfen.
Nun hat man die Achse vor sich liegen, nimmt ein Meißel und schlägt die Lager heraus, das geht relativ einfach, weil die Lager aus sehr dünnem Blech sind (nicht zu verglichen mit Motorlagern). Ich habe für ein Lager ca. 5 Minuten gebraucht (Bj. 86!)
Danach reinigt man die Aufnahmen und schmiert sie mit Silikonspray ein (greift Gummi nicht an), das gleiche macht man mit den Gummilagern (nicht sparen!). Danach flutschen die Lager fast mit "Handkraft" hinein, sollten aber mit ein paar gezielten Hammerschlägen (eventl. Gummihammer) auf den äußeren Blechrand paßgenau hineingetrieben werden.
Nun legt man die Achse mit dem Differential wieder auf den Wagenheber und fädelt alles wieder ein, das ist zu zweit überhaupt kein Problem, und macht alle Schraubverbindungen wieder zu. Die Schrauben der Gummilager reinigt man und gibt einen Tropfen Loctite Schraubenfest drauf. Das gleiche macht man mit den Schrauben der Hardyscheibe.
Wir waren zu zweit und haben die Aktion ohne Stress in 5 Stunden bewältigt.
Ich wollte Euch Mut machen, auch scheinbar kompliziertere Arbeiten an Eurem Benz selbst zu machen. Das Fahrzeug ist wirklich reparaturfreundlich konstruiert.
Grüße aus Wien, Wolfgang

Eine reichlich bebilderte Anleitung für die Überholung einer Raumlenkerachse im W201 findet sich auf der Seite von Michael. Sehr empfehlenswerte, um einen Eindruck davon zu bekommen, was mit Bordmitteln möglich ist, und wie es dann aussieht.

Eine kurze und knappe Beschreibung, wie er die vier Lagertöpfe des Hilfsrahmens bei eingebauter Hinterachse und an einem Nachmittag gewechselt hat, lieferte Martin 230E in seinem Beitrag vom 15.10.2004.

Wenn man die Hinterachse herausgenommen hat, muß man anschließend die Bremsanlage entlüften, einige Hinweise dazu finden sich im Abschnitt über das Wechseln der Bremsflüssigkeit. Bei Fahrzeugen mit Niveauregulierung oder ASD kommen noch Arbeiten an der Hydraulikanlage hinzu.

Wichtig ist bei diesen Arbeiten auch, daß man die Schrauben (und eventuell auch die Gewindelöcher) ordentlich reinigt, so daß keine alte Schraubensicherung in den Gewindegängen verbleibt. Am besten geht dies mit einer Drahtbürste, ggfs. mit elektrischer Unterstützung. Anschießend die Schrauben wieder mit der flüssigen Schraubensicherung benetzen.

Kauft man die Reparatursätze von Mercedes, so erhält man neue Schrauben dazu und spart sich die Zeit zum Reinigen der Gewinde.

Die Achse einmal komplett auszubauen bietet sich wirklich an, um bei sehr guter Zugänglichkeit alle möglichen Arbeiten daran auszuführen. Man könnte ja auch gleich die Raumlenker und die hintere Aufhängung des Differentiales erneuern, die Entlüftung des Differentiales durchspülen, neue Stoßdämpfer verbauen, kürzere Federn...

So gut kommt man an die Komponenten der Hinterachse nie wieder heran und die Arbeiten halten auch für die nächsten zehn Jahre. Übrigens fährt sich so eine Hinterachse mit komplett neuen Gummis (neue Raumlenker, Hilfsrahmenlager, Differentiallager) wie ein Traum! Das ist echtes Neuwagengefühl, selbst mit 200tkm Laufleistung, einfach unbeschreiblich.

Autor: Christian Martens