Ölwechsel in der Servolenkung

Aus W124-Archiv
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Die Servolenkung

Die Servolenkung unterstützt die Lenkbewegungen des Fahrers, indem der von der Servopumpe aufgebaute Öldruck quasi mit am Lenkrad drückt, sobald der Fahrer das Lenkrad in eine Richtung einschlägt. Dadurch entstehen für den Fahrer wesentlich geringere Lenkkräfte, als wenn er die Räder mit Muskelkraft allein bewegen müßte. Ich erinnere mich noch gut an meine Mutter, die bei der Flosse (ohne Servolenkung) mit ihrem großen Lenkrad manches Mal gut zu kämpfen hatte - und meine Mutter konnte durchaus einparken!

Während bei den Vorgängermodellen die Servolenkung als Sonderausstattung zusätzlich erworben werden konnte oder mußte, war sie beim W124 Bestandteil der Grundausstattung.

In Fahrtrichtung links vorne am Motor sitzt die Hydraulikpumpe mit dem darauf befindlichen Vorratsbehälter. Von hier gehen Schläuche zum Lenkgetriebe und wieder zurück, wobei zur Kühlung der Hydraulikflüssigkeit eine kleine Schleife vor dem Wasserkühler verläuft.

Ölwechsel in der Servolenkung

Hier gibt es mehrere verschiedene Methoden:

Wichtig ist, der Motor darf niemals laufen, wenn kein Öl im Vorratsbehälter ist!!!

Komplette Spülung des Systems (aufwändiger)

Zunächst sollte der Wagen vorne hochgebockt werden, damit beide Vorderräder in der Luft sind und sich problemlos lenken lassen. Danach kann man den Deckel des Servoölbehälters entfernen.

Servo1.jpg

Das darin befindliche Öl wird mittels einer Spritze abgesaugt und auch der darunter liegende Filter demontiert.

Servo2.jpg

Jetzt wird es etwas fummeliger. Am Servoölgehäuse gibt es zwei Anschlüsse, diese unterscheiden sich je nach Motor. Am Diesel sieht es z.B. so aus:

Servo3.jpg

Am M111 so:

Servolenkung M111.jpg

der obere Anschluss ist aber immer der Rücklauf vom Lenkgetriebe.

Der Schlauch muß nun vom Behälter getrennt werden und so gelegt werden dass das auslaufende Öl in einem Behälter oder einer Wanne aufgefangen wird. Beim Diesel muß zusätzlich noch das Winkelrohr gelöst werden und mit der Öffnung nach oben wieder am Servoölgehäuse angeschraubt werden.

Nun wird der neue Filter montiert dabei handelt es sich um einen MANN - Typ H85, im Zubehör zu bekommen, oder etwas teurer bei MB unter der Teilenr. A000 466 21 04

Filter Servolenkung original von MB gekauft.jpeg

Jetzt wird frisches Servoöl in den Behälter gegossen, wobei darauf zu achten ist, dass nichts aus dem Winkelohr rausläuft.

Servo4.jpg

Nun muss eine zweite Person den losen Rücklauf vom Lenkgetriebe in ein Gefäß halten und aufpassen, das es nicht überläuft.

Servo5.jpg

Man selber dreht nun am Lenkrad hin und her, wodurch das Öl durch die Leitungen gepumpt wird. Jetzt heißt es wieder auffüllen von frischem Servoöl und entsorgen des alten. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis aus dem Rücklauf ganz sauberes Öl rauskommt. Es werden ca. 1-2 Liter benötigt. Sobald nur noch sauberes Öl kommt den Rücklauf wieder richtig am Servoölbehälter befestigen (Beim Diesel das Rohr zurückstellen!) und wieder alles zusammenbauen.

Man erkennt sehr deutlich den Unterschied zwischen dem alten, verdreckten Filter und dem neuen.

Servo6.jpg

Das von Mercedes verkaufte Servoöl hat die Teilenummer A000 989 88 03 10.

Servo7.jpg


Spülung in mehreren durchgängen (einfacher)

Dieser Wartungspunkt findet sich nirgends in den Unterlagen des Herstellers, da die Lenkung mit einer sogenannten Lebenszeitfüllung versehen ist. Wie wir alle wissen, stirbt man, wenn die eigene Lebenszeit abgelaufen ist - genauso geht es auch der Lenkung, wenn die Lebenszeit des Hydrauliköles zu Ende geht. Da wir jedoch nicht vom Verkauf neuer Lenkgetriebe oder -pumpen leben, sondern unsere Fahrzeuge möglichst lange nutzen wollen, sollten wir hier entsprechende Vorsorge betreiben.

Besonders aus W123-Kreisen - die haben eben die älteren Lenkungen im Betrieb - wird davon berichtet, daß nach dem Ölwechsel in der Servolenkung die Lenkung insgesamt weniger Spiel aufweist, direkter und leichter reagiert und beim starken Radeinschlagen (Rangieren) keine merkwürdigen Geräusche mehr von sich gibt. Mit zunehmendem Alter der Baureihe W124 erreichen mich jedoch auch gleichlautende Meldungen für diese Fahrzeuge.

Zum Wechseln der Ölfüllung nach der unten empfohlenen Methode benötigen wir einen Liter Servolenkungsöl, den Filter sowie die Deckeldichtung für den Vorratsbehälter, alles erhältlich bei Mercedes. Weiterhin benötigen wir ca. 1,5m Schlauch, am besten durchsichtig und nicht zu dünn (etwa 10mm Innendurchmesser), sowie ein Gefäß mit ca. 2l Fassungsvermögen.

Zur Frage, ob es denn das Servolenkungsöl von Mercedes sein muß: nein, muß es "natürlich" nicht. Jedes anständige ATF Typ D sollte es tun, also dieselbe Sorte, die auch in die Schalt- oder Automatic-Getriebe gefüllt wird. Nähere Informationen zur Ölsorte und -marke finden sich in dieser Diskussion.

Zum Wechseln des Öles selbst gibt es verschiedene Lösungsansätze, ich will hier den meiner Ansicht nach sichersten beschreiben.

Achtung: Wenn man es schafft, die Hydraulikpumpe ohne ausreichende Ölfüllung laufen zu lassen, frißt sie innerhalb von Sekunden und ist unwiederbringlich hinüber! Also Vorsicht bitte, wir wollen hier Werte erhalten und nicht zerstören.

Los geht's: Man öffnet den Deckel des Vorratsbehälters der Hydraulikpumpe und legt ihn sicher ab. Das Auffanggefäß für das alte Öl stellt man vor dem Fahrzeug auf den Boden und hält es mit den Füßen fest. Nun steckt man das eine Ende des Absaugschlauches bis zum Boden in das brackige Hydrauliköl im Vorratsbehälter. Am Boden des Gehäuses ist der Filter befestigt, der sechs Löcher hat. Um möglichst das gesamte Öl absaugen zu können, steckt man den Schlauch in eins dieser Löcher, das man blind ertasten muß.

Nun saugt man (vorsichtig mit dem Mund oder mit einer Unterdruckpumpe) am anderen Ende des Schlauches das Öl an, bis es fast den gesamten Schlauch füllt (deshalb ist ein durchsichtiger Schlauch auch hilfreich) und steckt das Ansaug-Schlauchende in den Auffangbehälter. Das Öl läuft ganz allein durch die Schwerkraft (Newton sei Dank) aus dem Vorratsbehälter über das Frontblech hinüber in das Auffanggefäß.

Hat man nun das fast leere Vorratsgefäß vor sich, schraubt man die Gewindestange heraus und entnimmt den Filter vom Boden des Gefäßes. Wenn man diesen Vorgang so nach 150tkm und über zehn Jahren zum ersten Mal bei einem Fahrzeug durchführt, sieht man am Zustand des Filters sehr schön, was Mercedes unter dem Begriff Lebenszeitfüllung versteht :-> Ok, der Filter hat seine Aufgabe erfüllt und wird vorschriftsmäßig entsorgt.

Mit einem sauberen und fusselfreien! Tuch wischt man ggfs. den Modder von der Innenseite des Vorratsbehälters. Nun füllt man den Behälter mit frischem Servoöl bis zur Markierung auf und startet den Motor. Das Lenkrad mehrfach bei laufendem Motor von ganz rechts nach ganz links durchkurbeln, damit die Servolenkung 'was zu tun hat. Anschließend den Motor wieder abstellen.

Wir haben nun den Hydraulikkreislauf einmal mit frischem Öl durchgespült und saugen dieses aus dem Vorratsbehäter wieder komplett ab. Wenn man das Öl mit dem Mund ansaugt, hat man spätestens beim zweiten Durchgang einen verölten Schlauch, der beim Küssen einen häßlichen Geschmack aufweist. Wie Bertram in seinem Beitrag mitteilte, halfen ihm zwei Lagen Toilettenpapier, die er über die Schlauchöffnung legte. Dadurch konnte er noch ansaugen, hatte jedoch keinen direkten Kontakt zum ATF. Man kann das Schlauchende auch mit Bremsenreiniger abspülen und trockenpusten, um den Oralkontakt mit dem Öl zu verhindern.

Das andere Ende des Schlauches hält man an die tiefste Stelle des Vorratsbehälters, das ist die Ansaugöffnung zur Pumpe, um möglichst viel Öl abzusaugen. Vor der Neubefüllung wird der neue Filter eingelegt, die "Wählscheibenöffnungen" gehören nach oben, und mit der Gewindestange festgeschraubt. Öl bis zur Markierung auffüllen.

Der Deckel des Vorratsbehälters hat auf der Innenseite einen umlaufendenen, harten "Ring", den pulen wir mit einem kleinen Schraubenzieher ab. Es handelt sich um die ehemals flexible Gummidichtung des Deckels, die meist völlig verhärtet ist. Deckel säubern, neue Dichtung einlegen, Deckel montieren und die Schraube handfest anziehen. Das war's.

Das alte Öl sollte man Mercedes (oder dem Verkäufer im Zubehörhandel) wieder auf die Theke stellen, da jeder Ölverkäufer in D verpflichtet ist, Altöl in derselben Menge, wie Frischöl verkauft wurde, kostenfrei zurückzunehmen. Andersherum ausgedrückt: wir haben mit dem Kauf des neuen Öles die Entsorgungskosten für das Altöl beim Verkäufer bereits bezahlt, also soll er die Entsorgung auch vornehmen.

Im Wiki des W123-Forums ist eine Wechselprozedur beschrieben, bei der das Öl bei laufendem Motor unten aus dem Lenkgetriebe abgelassen wird. Diese Methode entfernt nachhaltig den Abrieb aus der Anlage, es besteht jedoch die Gefahr, die Pumpe zu schreddern, wenn man etwas falsch macht.

Autor: Christian Martens, Dennis190D, Jörg200D